"SOZIALDOKUMENTARISCHE FOTOGRAFIEN" MIT MANUEL BAUER

Manuel Bauer, 1966 in Zürich geboren, war schon früh von den Möglichkeiten der Fotografie fasziniert. Ursprünglich erlernte er das Handwerk der Werbefotografie, bevor er begann, sich mit seiner Art der Fotografie auch sozial zu engagieren. Nach seiner Ausbildung im Fotojournalismus spezialisierte er sich auf Langzeitprojekte, „sozialdokumentarische Fotografien“, wie er es nennt.

Seine ambitionierten Projekte im Ausland verfolgt er oft über viele Jahre hinweg. So hat er seit 1988 Indien in über 50 Reisen intensiv kennengelernt und fotografiert dort seit 1990 die tibetische Diaspora. Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine Reportage „Flucht aus Tibet“ und durch seine langjährige Tätigkeit als offizieller Fotograf des Dalai Lamas. Für seine Arbeiten erhielt Manuel Bauer prestigeträchtige Auszeichnungen wie den „World Press Photo Award“ und den „Picture of the Year Award“. Er stellt seine Werke auf internationalen Ausstellungen zur Schau und gilt als begnadeter Referent bei Großveranstaltungen.

Manuel erzählt uns über seine bislang größte Herausforderung und seine schönsten Momente beim Fotografieren und enthüllt exklusiv für uns so manch kniffliges Detail.

Wie bist du zur Fotografie gekommen?

Mein Vater ist freischaffender Grafiker. Er blieb ein Leben lang unabhängig und suchte sich seine Kunden nach ethischen Kriterien aus. Diese Freiheit wollte ich auch in meinem Leben.

Was macht für dich die Faszination von Reportagefotografie aus?

Bereits in der Berufslehre als Werbefotograf missfiel mir die kommerzielle Seite des Berufes. Ich empfand es als unehrlich, Dinge mit meinen Fotos zu bewerben, die ich selber nicht kaufen würde. Nach meinem Lehrabschluss wechselte ich in die journalistische Fotografie. Dann gründeten wir  die Autorenagentur Lookat Photos.

Bild: Manuel Bauer

Was möchtest du mit deiner Fotografie bewirken?

Fotografie ist ein hervorragendes Medium, um Emotionen zu transportieren und Empathie zu erzeugen – darum geht es mir. Ich möchte Brücken schlagen, zwischen Kulturen und Menschen vermitteln, Verständnis für die Lebensumstände anderer schaffen und im besten Fall beim Betrachter Mitgefühl wecken und ihn zum Engagement bewegen.

Was war für dich bislang die herausforderndste Situation als Fotograf?

Die Flucht über den Himalaya war eine Reise auf Leben und Tod. Fotografisch habe ich das Geschehen aber in einer sehr einfachen Bildsprache erzählen können. So gesehen sind große Reportagen oft weniger eine fotografische, denn eine organisatorische Herausforderung. Damit schwierige Projekte gelingen, braucht es einen sehr langen Atem und große Disziplin. Meine größte Herausforderung war sicher das Langzeitporträt über den Dalai Lama. Es wird dabei schnell vergessen, wie schwierig es ist, Zugang zu solch herausragenden Persönlichkeiten wie dem Dalai Lama zu erhalten. Da gibt es sehr viele Sicherheitsbelange, die Tagesabläufe sind auf jede Minute durchstrukturiert, die meisten Aktivitäten spielen sich in der Öffentlichkeit ab oder werden durch das Protokoll anderer Regierungen bestimmt. Da bleibt für den Fotografen sehr wenig Spielraum.

Bild: Manuel Bauer

Wie kam es zu diesem Bild?

Die nepalesischen Dorfbewohner Sam Dzong Ngas müssen aufgrund des Klimawandels und des daraus resultierenden Wassermangels ihr seit Jahrhunderten bewohntes Dorf aufgeben. Durch den Temperaturanstieg fällt im Winter zu wenig Schnee, im Frühjahr fehlt das Schmelzwasser zur Bewässerung der Felder. Drei Stunden Fußmarsch über einen 4.000 Meter hohen Pass entfernt bauen die Bauern im Nachbartal nun ein neues Dorf auf.

Ein gutes Bild zeichnet sich durch das Zusammenspiel möglichst vieler fotospezifischer Qualitätskriterien aus. Wenn in einem Bild mehrere Aspekte wie Informationsvermittlung, Anteilnahme, das Erzeugen einer Reaktion, das Festhalten des richtigen Augenblicks, Bildgestaltung, Originalität und technische Präzision vereint sind, kann es seine Wirkung erst richtig entfalten. Für ein gutes Bild wirkt außerdem der spürbare Einsatz des Fotografen positiv mit. Diese Vielschichtigkeit kann sich auch in ganz einfach wirkenden Bildern zeigen.

Bild: Manuel Bauer

Was zeichnet deine Fotografie aus?

Das sollten besser andere beurteilen. Mich fasziniert, dass die Fotografie auch unsichtbare Dinge zu vermitteln vermag. Ein Medium, das, rein technisch gesehen, bloß das Licht und das an einem Objekt reflektierte Licht abbilden kann, gibt den Blick tief unter diese Oberflächen frei, erzählt Emotionen und Geschichten, die wir nicht sehen können. Ich hoffe, dies gelingt mir ab und zu. Ich scheine da eine gewisse Begabung zu haben.

Bei Fotografen, die mich interessieren, sind die rechte und linke Hirnhälfte sehr gut vernetzt. Es gilt, innerhalb von Sekundenbruchteilen zwischen Ratio und Intuition hin und her zu wechseln. Es gilt, auf der einen Seite die Faktenlage, Strategie, Logistik, Technik im Griff zu haben, und auf der anderen Seite ganz durchlässig für Stimmungen zu sein und sich im Moment der Aufnahme der Intuition anzuvertrauen.

Welches Equipment verwendest du am häufigsten und wie hilft es dir dabei, deine Bildideen zu verwirklichen?

Ich arbeite jeweils mit der größten Nikon. Auch auf Reisen. Wahrscheinlich kommt diesbezüglich noch meine Berufsausbildung zum Tragen. Qualitativ sind heute auch leichtere Bodys hervorragend, aber ich bin das große Gehäuse gewohnt, denn es liegt stabil in der Hand. Ich arbeite sehr lange am perfekten Bildausschnitt, kontrolliere exakt, was noch im Bild ist und was nicht. Da kommt mir diese Ruhe und Stabilität des Bodys entgegen. Die hohen ISO-Werte dieser Kamera sind eine Revolution für die Reportagefotografie. Daneben liebe ich die Zuverlässigkeit und Robustheit. Es geht auch durchaus mal rau auf einer Reportage zu und her. Ich möchte mich da auf das beste Bild konzentrieren können. Das ginge nicht, wenn ich mich um die Ausrüstung sorgen müsste. Ich muss mich in solchen Momenten auf das Material verlassen können.

Bei den Objektiven kommt es auf den Auftrag an. Wenn es hektisch wird, um Geschwindigkeit geht und ich meinen Standort nicht beliebig wählen kann, was im journalistischen Umfeld sehr oft der Fall ist, arbeite ich mit den Zooms 14–24, 24–70, 70–200. Auf langen Fußmärschen ersetze ich oft das 70–200 mit dem 70–300. Es ist bei leichter Bauweise immer noch ein qualitativ hochwertiges Objektiv, und die 300 mm sind gerade bei Landschaftsfotos toll.

Geht es weniger darum, ein vorgegebenes journalistisches Ereignis zu dokumentieren, und habe ich mehr Zeit, um am perfekten Bild zu feilen, Intimitäten und Stimmungen entstehen zu lassen, arbeite ich mit Festbrennweiten mit möglichst großer Lichtstärke wie dem 20mm 1.8, 35mm 1.4, 85 mm 1.4. Da gelingen die schönsten Bilder, das ist für mich Fotografie. Zusätzlich kommen natürlich auch immer wieder Spezialobjektive zum Einsatz. Für Architektur das PC 24mm, für wissenschaftliche Themen das Macro 105mm oder bei Interviews das 200mm mit seiner enormen Leistung von Blende 2 und seiner wunderschönen Schärfenuntiefe.

Bild: Manuel Bauer

Du leitest ja auch Nikon-Reisen nach Ladakh, Kalkutta und Mustang. Erzähl uns ein bisschen von Nikon Travel und über deine erste Ladakh-Reise letztes Jahr.

Ich bin begeistert! Nikon Travel ist eine außergewöhnliche Sache. Die Reiseleiter sind nicht bloß Top-Fotografen, sondern kennen sich an den Reisezielen auch hervorragend aus. Als Reportagefotografen sehen wir sehr tief in andere Kulturen, haben gute Beziehungen vor Ort und kennen die Landschaft. Anders könnten wir unsere Arbeit gar nicht machen. Es gehört immer auch eine fundierte Recherche dazu. Je nach Ort sind dies kulturelle, soziale, historische oder politische Hintergründe, in anderen Gegenden geht es um Flora und Fauna. Von diesem Wissen profitieren die Gäste. Und natürlich vermitteln wir gerne auch unser fotografisches Wissen. Nikon Travel ist für Vielfotografierer genauso interessant wie für Teilnehmer, die sich für Land und Leute interessieren. Das hat sich in Ladakh sehr deutlich gezeigt. Es stellt für mich ein optimal ausgewogenes Angebot dar: Fotografie für alle Niveaus eingebettet in grandiose Landschaft und außergewöhnliche Kultur.

Was ist dein nächstes grosses Projekt?

Das weiß ich noch nicht, denn es reicht nicht aus, rein strategisch zu entscheiden. Große Projekte müssen richtiggehend zwingend werden. Sie müssen sich einem aufdrängen, einen nicht mehr loslassen. Erst wenn man gar nicht mehr anders kann, als sie durchzuführen, hat man genug Kraft, sie auch abzuschließen. Es wird sich zeigen, welche Idee sich durchsetzt.


Hast du abschliessend einen Rat für angehende Reportagefotografen?

Es sind solides fotografisches Handwerk und ein Gespür für gute Geschichten vonnöten. Ebenso Neugierde, Lust aufs Leben und ein gewisses Sendebewusstsein; der Wunsch, seine Erfahrungen mit anderen zu teilen. Und vor allem Durchhaltewillen, denn alles ist ein einziger Lernprozess – wie das Leben selbst. Und das macht den Beruf so faszinierend.


Mehr von und über Nikon Ambassador Manuel Bauer findet ihr auf seiner Website.

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