VOLLFORMAT-MASTERCLASS: DIE BELICHTUNGSSTEUERUNG

Donnerstag, 02. September 2021

Wenn es euch beim Thema Belichtung nur darauf ankommt, dass eure Bilder die richtige Helligkeit haben, kommt ihr sehr leicht durch euer Fotografenleben. Wenn ihr aber kreativ Einfluss auf eure Bildergebnisse nehmen wollt, kommt ihr ohne ein bisschen Hintergrundwissen zur Belichtungssteuerung nicht aus. Wir zeigen euch, wie ihr Zeit, Blende und ISO gezielt für eure Zwecke einsetzt.

Der Lichtwert: Wie dosiert man Licht?

In der Physik ist das Messen von Licht ziemlich komplex. In der Fotografie kann man das aber zum Glück vereinfachen auf den Lichtwert. Er wird einfach mit LW oder EV (für „exposure value“) angegeben und merken muss man sich eigentlich nur eines: Eine Lichtwertstufe bedeutet eine Verdoppelung bzw. eine Halbierung der Helligkeit. Man muss sich tatsächlich nur die Sache mit den Unterschieden zwischen den Lichtwertstufen merken. Die absoluten Lichtwerte spielen so gut wie nie eine Rolle. Außer in den technischen Daten einer Kamera, und zwar in Form der Untergrenze, bis zu denen eine Kamera überhaupt die Belichtung messen kann. Auch für den Autofokus gibt es solche Untergrenzen. Bei euren Nikons liegen diese so niedrig, dass man sagen darf: Wenn das Licht zum Fotografieren reicht, recht es auch zum Messen.

Beim Fotografieren könnt ihr (oder eure Nikon-Kamera) die Dosierung des Lichts auf drei Wegen steuern:

1. Die Belichtungszeit: 
Die Dauer, für die der Verschluss eurer Kamera geöffnet bleibt, definiert die Lichtdosis. Eine Verdopplung/Halbierung der Zeit entspricht einer Lichtwertstufe. Die Begriffe »Verschlusszeit« oder schlicht »Zeit« bedeuten dasselbe. Also: Eine Belichtung mit 1/125 Sekunde ist doppelt so hell wie eine mit 1/250 Sekunde.

2. Die Blende:
Die Blendenlamellen im Objektiv steuern, wie viel Licht pro Sekunde durchgelassen wird. Je kleiner die Blendenöffnung, desto dunkler das Bild. 

Simulierte Darstellung einer Belichtungsreihe. Von links nach rechts: –2 LW, –1 LW, 0 LW, +1 LW, +2 LW (jeweils relativ zum gemessenen Wert)

Eine Blendenstufe entspricht einem Faktor von 1,4 bei der Blendenzahl und große Blendenzahlen stehen für eine kleine Blendenöffnung. Für eine um einen Lichtwert hellere Belichtung müsst ihr also beispielsweise von Blende 5,6 auf Blende 4 aufblenden. Eine Blendenstufe ist dasselbe wie eine Lichtwertstufe.

3. Der ISO-Wert:
Der ISO-Wert ändert nichts an der Lichtmenge, die auf den Sensor trifft, sondern daran, wie die Kamera auf dieses Licht reagiert, also wie sie Helligkeitswerte in digitale Informationen umsetzt. Eine Verdopplung oder Halbierung des ISO-Wertes entspricht wiederum einer Lichtwertstufe. Bei gleicher Zeit und Blende ist ein Foto bei ISO 200 also um eine Stufe heller als bei ISO 100.

Wie fein steuern: Müssen es ganze Stufen sein?

Für eine gezielte Steuerung der Belichtung sind volle Lichtwertstufen fast immer zu grob. Aus diesem Grund könnt ihr Zeit, Blenden und ISO nicht nur in ganzen Stufen verstellen, sondern wahlweise auch in Drittelstufen oder halben Stufen. Standardmäßig sind eure Nikons auf Drittelstufen voreingestellt und das ist auch die Abstufung, die wir für Zeit und Blende empfehlen. Bei den ISO-Werten ist eine Verstellung in ganzen Stufen sinnvoll, da die Feinanpassung der Belichtung eh über Zeit und Blende erfolgt. Die gewählte Abstufung gilt auch nur für die manuell gewählten Werte. In den Automatiken steuert eure Nikon Zeit oder Blende stufenlos.

Für Einsteiger und Schnappschüsse: Programmautomatik

Solange es euch nur darauf ankommt, dass eure Bilder korrekt belichtet werden, dann braucht ihr euch nicht allzu viele Gedanken zu machen. Das schafft eure Nikon alleine. Wählt den Modus P für »Program Auto« (Programmautomatik) und die Kamera wählt eine optimale Kombination aus Zeit und Blende für die aktuelle Lichtsituation. Für kreative Kontrolle ist es allerdings nötig, dass ihr mal den einen, mal den anderen Faktor gezielt steuert.

Wenn ihr mit Offenblende fotografiert, lenkt der Hintergrund nicht vom Motiv ab und das feine Bokeh eurer NIKKORE kommt voll zur Geltung.

Für die Kontrolle der Tiefenschärfe: Zeitautomatik

Mit der Zeitautomatik wählt ihr selbst die Blendenstufe und die Kamera gleicht dazu passend die Belichtungszeit an. Mit der Blende steuert ihr nicht nur die Helligkeit auf dem Bildsensor, sondern nebenbei auch die Ausdehnung der Tiefenschärfe. Mit großen Blendenöffnungen ist sie enger begrenzt. Das möchte man oft bei Porträts, um den Blick des Betrachters zu lenken.

Mit kleinen Blendenöffnungen (großen Blendenwerten) ist die Tiefenschärfe weit ausgedehnt. Das ist bei Landschafts- oder Architekturaufnahmen sinnvoll, wenn ein Motiv in seiner ganzen räumlichen Ausdehnung scharf werden soll.

Wählt an eurer Nikon den Belichtungssteuerungsmodus A (das steht für aperture priority) und wählt den Blendenwert mit dem vorderen Einstellrad.

Für die Kontrolle der Unschärfe: Blendenautomatik

Mit dem Modus S (für »shutter priority«) und dem hinteren Einstellrad steuert ihr direkt die Verschlusszeit eurer Nikon und diese kümmert sich dann um die passende Blende. Alles was sich während des hier eingestellten Zeitraums nennenswert bewegt, kann natürlich nicht gestochen scharf werden, weil sich auch das Bild über mehrere Pixel des Sensors bewegt. Im Fall von Verwacklungsunschärfe (die Kamera selbst bewegt sich während der Belichtung) ist das eigentlich immer schlecht. Um Verwacklung schönzureden, braucht es einen ziemlich unorthodoxen Kreativitätsbegriff. Zum Glück hilft dagegen unsere VR-Technologie sehr effektiv. Gegen eine Bewegung des Motivs selbst kann der VR zwar nichts ausrichten, aber das ist auch gut so, denn oft ist ein gewisses Maß an Bewegungsunschärfe gewollt. Gerade dann, wenn es um schnelle Bewegungen geht, könnt ihr diese durch etwas Bewegungsunschärfe noch dynamischer wirken lassen. Wenn ihr einen Rennwagen zu kurz belichtet, sieht er aus wie in der Kurve geparkt. Wenn aber durch eine etwas längere Belichtung die Drehung der Felgen sichtbar wird, bekommt das ganze Bild wesentlich mehr Reiz.

Bewegung in Aktion, hier belichtet mit 1/125 s.

Mitziehen

Dieses Bild gelang durch Mitziehen bei einer relativ langen Belichtungszeit von 1/160 s.

Bei Bewegungen des Motivs quer zu euch schwenkt mit dieser Bewegung mit, während ihr auslöst. So könnt ihr das Motiv selbst scharf erfassen und der Hintergrund wird verwischen. Wenn ihr dieses »Mitziehen« ein paar Mal geübt habt, bekommt ihr das mit immer längeren Verschlusszeiten hin und könnt es als ein sehr wirksames Stilmittel einsetzen.

Für die perfekte Kontrolle: manuelle Belichtungssteuerung

Mit dem Modus M (für »manual exposure«) steuert ihr sowohl Blende als auch Zeit selbst, und zwar wie gehabt mit den beiden Einstellrädern. Das kann zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn ihr eine hohe Konstanz der Belichtung braucht, zum Beispiel für Focus Stacking oder Panorama-Aufnahmen, die ihr später am Rechner zusammenfügen wollt. 

Auch für Videos ist die manuelle Belichtung oft die beste Wahl, weil sie eine Kontrolle der Tiefenschärfe und gleichzeitig eine konstante Verschlusszeit ermöglicht. Faustregel: Die Verschlusszeit sollte nicht kürzer sein als das halbe Bildintervall, sonst sind die einzelnen Phasenbilder zu scharf für ein flüssiges Bewegtbild; bei 30 fps solltet ihr also nicht kürzer belichten als 1/60 Sekunde.

ISO-Empfindlichkeit

Die ISO-Empfindlichkeit steuert im Gegensatz zu Blende und Zeit nicht die Lichtmenge, sondern nur, wie eure Nikon auf Licht reagiert, wie sie also eine Lichtmenge pro Sensorpixel in einen digitalen Helligkeitswert umsetzt. Das funktioniert sehr gut, weil jede Vollformat-Nikon einen Dynamikumfang bietet, der weit über das hinausgeht, was für die Belichtung eines einzelnen Bildes benötigt wird. (Mit Dynamikumfang beschreibt man, wie groß der Unterschied zwischen einem schwächsten und einem stärksten Signal sein darf, den ein System aufzeichnen oder übertragen kann.) Wir wollen nicht zu physikalisch werden, aber die Dynamik unserer Kameras ist riesig – das schafft Spielraum für die ISO-Empfindlichkeit. Durch anheben der ISO-Empfindlichkeit um eine Stufe (eine Stufe heißt Verdopplung des ISO-Wertes) verdoppelt ihr die Empfindlichkeit eurer Nikon für dieselbe Lichtmenge.

ISO-Automatik

Mit der ISO-Automatik habt ihr die Möglichkeit, den ISO-Spielraum eurer Nikon flexibel zu nutzen, ohne den ISO-Wert dauernd selbst verstellen zu müssen. Ihr wählt einfach einen ISO-Wert als Basiswert aus, definiert einen Maximalwert, bis zu dem die Kamera die ISO-Empfindlichkeit im Bedarfsfall anheben soll, und einen Schwellenwert für die Belichtungszeit (unsere Empfehlung: automatisch. So passt die Kamera den Schwellenwert je nach Brennweite an, denn bei langen Brennweiten ist die Verwacklungsgefahr größer als bei kurzen.) Solange das Licht gut ist, nutzt eure Nikon so einen niedrigen ISO-Wert, der eine optimale Bildqualität ermöglicht. Bei schwachem Licht hebt sie den ISO-Wert an, um Verwacklungsunschärfe zu vermeiden.

Wenn ihr die ISO-Taste gedrückt haltet, könnt ihr mit dem hinteren Einstellrad den ISO-Wert wählen und mit dem vorderen die ISO-Automatik ein- oder ausschalten.

Am oberen Ende des ISO-Spielraums werdet ihr sichtbares Rauschen in euren Bildern nicht komplett vermeiden können. Wo die gefühlte Grenze zwischen »authentisch« und »verrauscht« verläuft, ist Geschmackssache: Wir empfehlen euch mit jeder eurer Nikon-Kameras Testaufnahmen mit unterschiedlichen ISO-Stufen zu machen und in Ruhe zuhause am Rechner zu vergleichen. Wählt dabei Motive, die für eure sonstige Fotografie typisch sind. Den ISO-Wert, den ihr für euren Geschmack noch eben gut genug findet, könnt ihr als Obergrenze für die ISO-Automatik eurer Nikon definieren. Dankt dabei daran: Verwackelt ist im Zweifel fast immer schlimmer als leicht verrauscht.

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