TIPPS ZUM FOTOGRAFIEREN MIT FENSTERLICHT

Mittwoch, 01. April 2020

Wenn man Zeit zuhause verbringt, heißt das nicht, dass man nicht fotografieren kann. Tatsächlich gibt es in eurem Haus oder eurer Wohnung viele fantastische Fotolocations – ihr müsst sie nur entdecken. Licht, das durchs Fenster fällt, ist geradezu ideal für Porträts und andere Aufnahmen, für die man im Studio aufwändig künstliches Licht modellieren würde. Hier sind einige Tipps und Techniken, die erklären, wie man mit Fensterlicht arbeitet. Werdet mit eurer Kamera kreativ – und begeistert euch und andere mit großartigen Bildern aus den eigenen vier Wänden. Es gibt viele Möglichkeiten, Fensterlicht zu nutzen. Dabei ist es entscheidend, wo genau sich der Fotograf und sein Model platzieren. Wenn ihr mit Fensterlicht arbeiten, fotografiert ihr mit gerichtetem Licht. Dadurch habt ihr die Möglichkeit, das Fensterlicht als Seitenlicht, Frontlicht oder Gegenlicht zu verwenden. Bei der Arbeit mit Licht gilt die Regel: Je größer die Lichtquelle im Verhältnis zum Objekt ist, desto weicher ist das Licht. Je kleiner die Lichtquelle ist, desto intensiver wird das Licht sein. Kleine Lichtquellen erzeugen oft auch sehr harte und tiefe Schatten.

Fensterlicht richtig einsetzen

Auch wenn ihr drinnen fotografiert, ist beim Fotografieren mit Fensterlicht das Wetter draußen entscheidend für die Art der Bilder, die ihr machen können. Es gibt nicht unbedingt die eine beste Tageszeit für Aufnahmen. Bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang wird das Fensterlicht wärmer sein, was für einige Aufnahmen vorteilhaft sein kann. Diesen Look könnt ihr bis zu einem gewissen Grad aber auch erreichen, wenn ihr die Weißabgleich-Einstellungen in der Kamera ändert. Ein bewölkter Tag wird euch ein „flaches“ Licht geben, das sehr weich und gut für Porträts ist, während ein heller Tag mit einströmendem Sonnenlicht für andere Motive vielleicht besser ist. Direktes Sonnenlicht funktioniert auch bei Porträts, ist aber definitiv eine größere Herausforderung. Auch wenn es vielleicht mehr Experimentieren erfordert, lohnt es sich jedoch: Die entstehenden Bilder können sehr eindrucksvoll und dramatisch aussehen.

Wenn ihr große Fenster habt, kann es sein, dass ihr manchmal zu viel Licht für das Bild habt, das euch vorschwebt. Oft reicht es schon, den Vorhang oder die Jalousien etwas zu schließen – und so eine ganz andere Lichtsituation zu erzeugen. So lassen sich auch die Effekte professioneller Lichtformer simulieren wie „Snoot“ (gerichtetes Licht, enger Lichtkegel) oder die Abschirmklappen einer Lampe. Experimentiert ein bisschen, um das beste Licht fürs Bild zu erhalten. Und nicht vergessen: Schon die kleinsten Bewegungen, auch eures Models, werden das Aussehen des Bildes verändern. Fast jedes Fenster im Haus ist eine gute Lichtquelle, solange genügend Platz für die Aufnahme des gewünschten Bildes vorhanden ist. Jedes nach Norden ausgerichtete Fenster ist normalerweise gut für weiches Licht geeignet, da nie direktes Sonnenlicht durch das Fenster einfällt. Den gleichen Effekt habt ihr auch bei einem nach Westen ausgerichteten Fenster am Morgen oder einem nach Osten ausgerichteten Fenster am Abend. Wenn es bewölkt ist, liefert jedes Fenster weiches Licht.

Verschiedene Arten von Licht

Die Frontalbeleuchtung kommt über die linke Schulter des Fotografen, um auf die Billardkugel zu treffen. Durch die Arbeit mit einem kleineren Fenster entstehen helle und dunkle Bereiche im Bild.

Was will ich eigentlich fotografieren?

Natürlich könnt ihr auch erstmal nur üben, wie ihr mit Licht arbeitet – aber es schadet auch nicht, gleich mit Motiven zu arbeiten, die ihr auch wirklich aufnehmen wollt. Alltägliche Gegenstände, die ihr in der Wohnung findet, wie Küchenutensilien oder Spielzeug, funktionieren wirklich gut. Zum Üben ist es wichtig, etwas zu finden, mit dem ihr leicht arbeiten könnt und das ihr in einer Vielzahl von verschiedenen Lichtverhältnissen platzieren könnt. Fensterlicht eignet sich auch hervorragend für Porträts – vielleicht habt ihr ja auch ein geduldiges Model zur Hand?

Die Bildgestaltung

Da die meisten Innenräume nicht immer saubere Linien und klare Hintergründe haben, müsst ihr euch genau überlegen, wie ihr störenden Elemente im Bild verhindert. Schnell ist es passiert: Man hat sich ganz aufs Motiv konzentriert und dann vergessen, den Ausschnitt optimal zu wählen und den Hintergrund zu überprüfen. Dagegen hilft eine Art Checkliste im Kopf, kurz vor dem Drücken des Auslösers: Erst jede Ecke des Bildes prüfen und dann über das Motiv hinausschauen, um nach Dingen zu suchen, die vielleicht nicht im Bild sein sollten. Wenn zu viel vom Fenster im Bildausschnitt ist, führt dies zu einem sehr hohen Dynamikbereich zwischen den hellsten und dunkelsten Bereichen des Bildes – je nach Belichtungseinstellung gehen am einen oder anderen Ende Details verloren.

Experimentiert mit Vorhängen oder Jalousien und spielt so mit Schatten.
Frontalbeleuchtung
Wenn das Licht frontal auf das Motiv trifft, die Lichtquelle sich also hinter dem Fotografen befindet. Es entsteht ein gleichmäßig ausgeleuchtetes Bild mit Schatten, die hinter das Motiv fallen. Achtet aber darauf, dass ihr das Motiv nicht selbst mit eurem Körper abschattet und das von hinten kommende Licht blockiert. Dagegen hilft es meist, sich hinhocken oder sich leicht nach links oder rechts vom Fenster bewegen.

Gegenlicht
Hier fotografiert ihr in Richtung des Fensters – also gegen das Fenster einfallende Licht. Das Licht befindet sich hinter dem Motiv und kann für zwei verschiedene Arten von Bildern verwendet werden. Wird das Motiv richtig belichtet, erzeugt ihr eine Überbelichtung des Hintergrundes. Oder ihr entscheidet euch für eine Unterbelichtung und bekommt so eine Silhouette des Motivs. Auf jeden Fall solltet ihr es vermeiden, direkt in die Sonne zu schauen.

Licht von der Seite
In der Regel setzen wir beim Fotografieren mit Fensterlicht das Licht von der Seite ein. Fotograf und Motiv befinden sich parallel zum Fenster, und das Motiv wird von links oder rechts beleuchtet. Mit dieser Technik könnt ihr viele verschiedene Looks erzielen. Wird das Motiv weiter im Raum positioniert, erzielt ihr ein gleichmäßig weich beleuchtetes Bild. Mit dem Motiv nahe am Fenster entsteht ein dramatischeres, kontrastreicheres Bild.

Seitenlicht von der Kamera links: Wenn das Motiv (hier eine Spielfigur) nahe am Fenster ist, entsteht ein hoher Kontrast zwischen den Lichtern und Schatten.

Mit einzeln gesetzten Lichstreifen lassen sich gezielt Highlights auf die Augen legen - wie hier von Stephan Wiesner bei seiner Frau Kristina

Blende: Versucht je nach verwendetem Objektiv mit Blende 4 oder Blende 5,6 zu beginnen. Um Motiv und Hintergrund weiter voneinander abzuheben, indem der Hintergrund sehr unscharf wird, verwendet Blende 1,8 oder 2,8, wenn das Objektiv dies zulässt. Manchmal will man aber auch alles im Bild scharf abbilden – dann kommt eine höhere Blende zum Einsatz, zum Beispiel Blende 8. Dies kann in Innenräumen eine Herausforderung sein, es sei denn, es kommt sehr viel Licht durchs Fenster oder man fotografiert mit hoher ISO-Empfindlichkeit.

Verschlusszeit: Beginnt am besten mit 1/160 oder 1/125 und geht dann bei Bedarf auf niedrigere Verschlusszeiten herunter. Mit den in die Objektive eingebauten Technologien zur Vibrationsreduzierung (VR) oder der kamerainternen Bildstabilisierung (IBIS) in einigen Kameras der Z-Serie wird die Aufnahme bei niedrigen Verschlusszeiten und dennoch scharfer Abbildung wesentlich einfacher. Mit der Z 7 und einem NIKKOR Z 24–70 mm 1:2,8 S kann man 1/20 Sekunde noch gut freihand fotografieren. Wer statische Motive fotografiert, der kann natürlich auch ein Stativ einsetzen und so sehr lange Verschlusszeiten nutzen.

ISO-Empfindlichkeit: Als Basis empfiehlt es sich, die Kamera auf den nativen ISO-Wert einzustellen, das heißt die niedrigste Zahl, die die Kamera unterstützt – meist ISO 100. Nikon-Kameras eignen sich hervorragend für Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen, da sie selbst bei hohen ISO-Werten ein geringes Bildrauschen erzeugen. Daher können wir auch gut die ISO-Automatik aktivieren (bis ISO 2000 oder 3200 zum Beispiel), die den ISO-Wert erhöht – je nach Verschlusszeit und Blende. Das Fotografieren mit Auto ISO hilft, da ihr dadurch eine Variable weniger habt, über die ihr nachdenken müsst – und damit mehr Zeit für das Fensterlicht und die Komposition habt. Die Rauschunterdrückung bei hohen ISO-Werten im Aufnahmemenü der Kamera sollte eingeschaltet sein.

Über- und Unterbelichten (+/-): Eine gute Möglichkeit zur Feinabstimmung der Belichtung des Bildes, wenn die Lichter zu hell oder die Schatten zu dunkel sind. Es wird immer empfohlen, zuerst eine Aufnahme ohne Belichtungskorrektur zu versuchen. Wenn jedoch die hellsten Bereiche im Bild überbelichtet sind, lohnt sich oft eine Belichtungskorrektur auf etwa -1 oder vielleicht -2 EV – beachtet aber, dass dies auch die Schattenbereiche verdunkelt. Wenn die Schatten zu dunkel sind, könnt ihr sie mit +1 oder +2 EV aufhellen. Die Verwendung der Belichtungskorrektur ist ein feiner Balanceakt zwischen der richtigen Einstellung der Schatten und der richtigen Einstellung der Lichter.

Belichtungsmessung: Die Matrixmessung ist fürs Fotografieren bei Fensterlicht ideal. Die Arbeit mit den anderen Belichtungsmessmodi ist nur selten notwendig.

Weißabgleich: Der automatischen Weißabgleich sollte in den meisten Situationen beim Fotografieren mit Fensterlicht gut funktionieren. Um einen Farbstich im Bild zu erhalten, experimentiert ein wenig mit euren Einstellungen oder gebt einen bestimmten Kelvin-Wert ein, zum Beispiel 5560K für Tageslicht an einem hellen Tag. Am besten im Live-View-Modus ausprobieren: So seht ihr gleich, wie sich die Auswahl auf die Farben im Bild auswirkt. Wer im RAW-Format fotografiert, kann das auch ohne Verlust von Bildqualität später bei der Bildbearbeitung tun.

Fokussierung: Für eine genaue Scharfstellung bei statischen Motiven sind AF-S und Einzelpunkt-Autofokus die richtigen Einstellungen.

Positionierung des Motivs

Wenn ihr ein dramatisches, kontrastreiches Bild erstellen möchtet, dann platziert euer Motiv sehr nah am Fenster. Wenn ihr das Motiv etwa ein bis zwei vom Fenster entfernt platziert, wird der Kontrast im Bild deutlich reduziert, was zu einer gleichmäßigen Beleuchtung eures Motivs führt. Zu weit weg vom Fenster kann es aber zu dunkel werden. Im Idealfall sollte das Licht von oben aufs Motiv fallen. Wenn es sich also um ein Porträt handelt, sollte das Model vielleicht etwas weiter unten sitzen.

Kamera-Einstellungen

Jede Menge Einstellungen beeinflussen das Bildergebnis – das ist beim Fotografieren mit Fensterlicht nicht anders. Wir haben hier einige allgemeine Einstellungen zusammengestellt, die einen guten Start ermöglichen.

Aufnahmemodus: Der Aufnahmemodus richtet sich nach dem Motiv, und danach, wie viel kreative Kontrolle der Fotograf haben möchten. Bei der Programmautomatik (P) übernimmt die Kamera viel, ihr habt also weniger kreative Kontrolle – aber schöne Bilder, wenn ihr das Motiv richtig ins Licht gesetzt habt. Verwendet die Blendenpriorität (A), wenn ihr die Schärfentiefe steuern möchtet, um das Motiv vom Hintergrund zu trennen. Die Verschlusspriorität (S) gibt euch Kontrolle über die Verschlusszeit und die Bewegung im Bild. Der manuelle Modus (M) ermöglicht die vollständige Kontrolle sowohl der Bewegung (Verschlusszeit) als auch der Schärfentiefe (Blende) im Bild und sorgt so für maximale Kreativität.

Fenstergriff: Das Gegenlicht zeugt eine Silhouette des Motivs.
Hier die Zusammenfassung möglicher Starteinstellungen: ISO 100 mit Auto ISO, automatischer Weißabgleich, manueller Modus, f/4, 1/125 Sekunde, Matrixmessung und Aufnahme von RAW-Dateien. Bei Bedarf Belichtungskorrektur verwenden.

Wir hoffen, wir haben euch dazu inspiriert, eure Kamera in die Hand zu nehmen und ein paar Bilder am Fenster zu machen – und dabei noch etwas übers Licht zu lernen. Wenn ihr mögt, lasst andere an eurer Kreativität teilhaben und teilt eure besten Bilder auf Instagram und Facebook unter dem Hashtag #createyourlight und taggt unseren Kanal @nikondach. Alle Teilnahmebedinungen findet ihr hier.


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