TIEFSEEWESEN IM VISIER – MIT SOLVIN ZANKL UND DER NIKON Z 6II

Mittwoch, 22. Juni 2022

Der Meeresbiologe Solvin Zankl über seine jüngste Expedition ins Südliche Afrika, seine Shootingnächte im Kühlraum eines Forschungsschiffs und die Vorzüge der Nikon Z-Serie für (Tiefsee-)Tierporträts.

Solvin, du bist Wildlife-Fotograf, hast dich unter anderem auf die Insekten- und Tiefseefotografie spezialisiert. Was stand am Anfang: Das Interesse für die Biologie oder die Fotografie?

Letzteres. Ich bin in einem Haus am Waldrand aufgewachsen und war schon immer naturbegeistert. Schon als Jugendlicher habe ich Insekten fotografiert, allen voran Libellen. Später hat mich dann das Tauchfieber gepackt, und ich habe Meeresbiologie studiert, auch um zu verstehen, was ich da unter Wasser sehe bzw. fotografiere.

Welche Rolle spielt das Studium heute für deine Arbeit?

Eine entscheidende. Auch wenn ich sagen muss, dass ich viele Tiefseetiere erst in dem Moment kennenlerne, in dem ich sie vor der Linse habe:

Solvin Zankl mit seiner Nikon Z 6 II vor dem Forschungsschiff Sonne

Dieser Teil der Biosphäre hat gigantische Ausmaße, de facto nimmt die Tiefsee den Großteil unseres Planeten ein, und sie ist immer noch wenig erforscht. Auch deshalb gibt es Tiere, die noch nie ein Mensch zu Gesicht bekommen hat. Selbst wenn man viele Expeditionen mitmacht – ich habe gerade meine achte absolviert – kann es gut sein, dass man auf etwas stößt, das man nur einmal im Leben sehen wird.

Wie müssen wir uns diese Lebewesen vorstellen?

Sie sind hochspezialisiert, in der Lage, große Druckunterschiede auszuhalten, weil viele ihren Schwebezustand statt mit einer luftgefüllten Blase mittels Auftrieb verleihender Öltröpfchen in ihrem Körper sicherstellen können. Manche haben große, extrem lichtempfindliche Augen, andere verfügen über die Fähigkeit zur Biolumineszenz, sind also in der Lage, auf natürliche Weise zu leuchten und sich darüber zu orientieren, zu kommunizieren oder Beute anzulocken – denn auch die Jagd nach Beute und die Partnersuche sind in der riesigen, finsteren Weite eine Herausforderung.

Ab wieviel Metern Tiefe spricht man eigentlich von Tiefsee?

Ab 200 Metern. Das ist der Bereich, wo selbst bei klarem Wasser nur noch ein Hauch von Licht vorhanden ist, ab 300 Metern ist dann selbst unter idealen Bedingungen alles stockdunkel.

Bereiche, in die man mit einer Taucherausrüstung nicht vordringen kann. Warst du jemals so tief?

Ja, ich bin zweimal mit einem Tauchboot abgetaucht – einmal davon auf 500 Meter Tiefe.

Zuletzt warst du neun Wochen mit dem Forschungsschiff Sonne vor den Küsten Namibias und Südafrikas unterwegs. Wie kam es dazu und wie hast du dort gearbeitet?

Es gab eine Vereinbarung mit dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), dass ich mitfahren darf und sie im Gegenzug meine Bilder nutzen dürfen. Die Forscher und Forscherinnen haben mit Spezialnetzen gearbeitet, um die Lebewesen aus Tiefen zwischen bis 300 und 800 Meter hochzuholen. Das passierte nach Einbruch der Dunkelheit, weil einige Lebewesen dann zum Fressen Richtung Meeresoberfläche aufsteigen, während sie sich tagsüber in noch größeren Tiefen vor Fressfeinden verstecken. Ab etwa 20 Uhr begann dann meine Schicht im „Fotostudio“ – im Kühlraum des Schiffs.

Wie lange haben deine Schichten gedauert?

Ich habe meist Nächte durchgearbeitet, oft bis zum Frühstück.

Hätte man das nicht anders – weniger beschwerlich – organisieren können?

Nein, denn die Tiefseelebewesen hatten ja, wenn sie an Bord kamen, schon einiges an Stress durchgemacht, und ich wollte sie so lange fotografieren, wie sie noch einigermaßen agil waren. Außerdem benötigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Tiere anschließend schnellstmöglich für weitere Untersuchungen.

Wie müssen wir uns diese Shootings vorstellen?

Die Tiere wurden in einem Becken zwischengelagert. Ich habe sie dann, jedes für sich, mit einem Becher in ein spezielles Aquarium verfrachtet, das an einer Seite mit einer Manschette versehen war, in der das Objektiv steckte.

Warum dort?

Weil man den Raum dauerhaft auf 4 Grad herunterkühlen kann – die Wohlfühltemperatur für Wesen aus der Tiefsee.

Ganz im Gegensatz zu uns Menschen …

Wohl wahr (lacht).

Wie bist du damit zurecht gekommen?

Eigentlich ganz gut. Erstens bin ich an kühle Temperaturen gewöhnt und zweitens konnte ich, wenn es mir zu arg wurde, einfach kurz vor die Tür – da herrschten dann 25 bis 30 Grad.

Wieviel Zeit hast du auf ein einzelnes Tier verwendet?

Das Minimum waren etwa zwei Stunden, in Einzelfällen habe ich mich auch zwei Tage mit einem einzelnen Lebewesen beschäftigt.

Das musst du erklären. Das Objektiv ragte also ins Wasser hinein?

Genau. Allerdings waren sie mit einem Objektiv-Port versehen, wie er auch in der Unterwasserfotografie verwendet wird – und so gegen das Eindringen von Wasser geschützt.

Welche Objektive hast du benutzt?

Hauptsächlich das NIKKOR Z MC 105 mm 1:2,8 VR S und das NIKKOR Z MC 50 mm 1:2,8. Beide sind für Makro-Aufnahmen konzipiert, und beide bieten eine tolle Abbildungsleistung. Außerdem fokussieren sie schnell und präzise, was ja gerade im Makro-Bereich wichtig ist, da geht es ja meist um wenige Millimeter.

Du hast mit der Nikon Z 6 und der Z 6II gearbeitet. Wie sind deine Erfahrungen?

Bis vor einiger Zeit habe ich ausschließlich Spiegelreflexkameras genutzt, insbesondere die Nikon D4s und die D5. Ich muss zugeben, dass ich zunächst ziemlich skeptisch war. Ich war immer überzeugt, dass ich mein Objekt über einen optischen Sucher sehen muss, um gute Aufnahmen machen zu können. Als die Nikon Z 6 herauskam, habe ich sie mir trotzdem sofort gekauft und bald festgestellt, dass der elektronische Sucher ein echter Segen ist.

Inwiefern?

Der Punkt ist: Ich muss die Kamera überhaupt nicht mehr vom Auge nehmen, weil ich die Bildkontrolle direkt über den Sucher vornehmen kann. Dadurch komme ich auf eine weitaus höhere Bildausbeute. Die scheuen Tiere werden nicht gestört, weil ich mich für den Wechsel zwischen Sucherbild und Bildkontrolle ja keinen Millimeter mehr zu bewegen brauche. Hinzu kommt: Gerade im Makro-Bereich dauert es, bis du ein Tier endlich in der gewünschten Position hast, und dann willst du einfach fotografieren, ohne auf das Kameradisplay gucken zu müssen, um zu kontrollieren, ob alles stimmt.

Wie setzt du den Fokuspunkt?

Über die 4-Wege-Wippe auf der Kamera-Rückseite. Damit kann ich nicht nur schnell den Fokuspunkt definieren, sondern auch mit der Belegung der Zoomfunktion auf die mittlere Taste der 4-Wege-Wippe sehr schnell zwischen Detail- und Gesamtansicht hin- und herspringen.

Du fotografierst ja auch Landtiere. Nutzt du die Nikon Z 6 bzw. Z 6II auch für deine Wildlife-Aufnahmen an Land?

Definitiv, und zwar aus demselben Grund: weil ich die Kamera nicht mehr vom Auge nehmen muss. Ich habe neulich Wildbienen fotografiert, das war einfach grandios. Hinzu kommt, dass ich mit spiegellosen Kameras ja absolut geräuschlos und ohne klappenden Spiegel arbeite. Sehr vorteilhaft, zum Beispiel wenn man Vögel fotografiert.

Du wirst also auch künftig mit der Z-Serie arbeiten ...

Auf jeden Fall. Ich bin begeistert von der Nikon Z-Serie und schon wahnsinnig gespannt auf die Nikon Z 9, die ich mir gerade bestellt habe. Die kommt nun ganz ohne Unterbrechung im Sucherbild aus. Auch das ein großer Vorteil, gerade bei der Beobachtung von Meerestieren. Ich muss ja als Fotograf erahnen, wo sich das Tier als nächstes hinbewegt, und das anhand von minimalen Anzeichen. Etwa, wie sich seine Antennen gerade bewegen.

Deine Tiefsee-Tierporträts sehen unwirklich plastisch und zugleich hyperreal aus – fast so, als ob sie zuvor präpariert worden wären. Wie erzielst du diesem Effekt?

Das liegt zum einen an der hohen Abbildungsqualität der Objektive, andererseits an der komplexen Ausleuchtung. Alle 22.000 Fotos, die ich während der Reise gemacht habe, sind geblitzt – mit fünf entfesselt abgefeuerten und manuell gesteuerten Nikon Blitzgeräten vom Typ SB-900 bzw. SB-800. Auch hier half die Tatsache, dass man bei spiegellosen Kameras, wie denen der Nikon Z-Serie, die Ausleuchtung sofort im Sucher beurteilen kann.

Wieviel passiert in der Postproduktion?

Nahezu nichts. Ich versuche immer alles in der Kamera zu realisieren, inklusive des finalen Bildausschnitts. Dann „entwickle“ ich die RAW-Dateien in der Nikon Bildbearbeitungssoftware NX Studio, und das war’s.

Abschließend: Welches ist dein Lieblings-Tiefseetier?

Ganz klar: die Muschelkrebse.

Warum?

Weil die einerseits sehr verbreitet sind, die allermeisten Menschen sie aber nicht kennen. Muschelkrebse sind an ihre Umgebung in einem Maße angepasst, das wirklich erstaunlich ist. Bei der Fortpflanzung wird das besonders deutlich: Die Männchen legen für die Weibchen eine Spur aus leuchtenden Tröpfchen ins Wasser, diesem Weg folgen die Weibchen in der Wassersäule und geben ihre Eier ins Wasser ab, woraufhin die Männchen ihre Spermien wieder genau in diese Leuchtspur platzieren. Das Ganze passiert synchron und zwar bei Millionen von Muschelkrebsen. Wenn man also im richtigen Augenblick einen Nachttauchgang macht, erlebt man ein wahrhaftes Feuerwerk an neonblauer Biolumineszenz – ein fantastisches Spektakel.

2019 wurde ein Foto, das du von einem Schweinswal gemacht hast, auf einer Briefmarke abgedruckt. Wann sehen wir die ersten Muschelkrebse auf einem Postzeichen?

Ich glaube, bis es soweit ist, muss die Welt ihre Augen noch weiter öffnen. Es gibt so viele Lebewesen, mit denen wir den Planeten zwar teilen, die wir aber noch nicht kennen. Und die Ozeane spielen eine zentrale Rolle, auch für unser Leben – schließlich stammt jeder zweite Atemzug Sauerstoff, den wir nehmen, aus dem Meer.

Über Solvin Zankl

Solvin Zankl, Jahrgang 1971, ist studierter Meeresbiologe und seit 1998 hauptberuflich als Naturfotograf tätig. Er ist auf Wildtiergeschichten aus verschiedenen Umgebungen spezialisiert, darunter Küsten und Tiefsee, Wüsten, Wälder und Süßwasserlebensräume. In seinen Fotoreportagen lässt er seinen wissenschaftlichen Hintergrund ebenso einfließen wie seinen Sinn für Ästhetik. Er ist für seine innovativen Bilder vielfach ausgezeichnet worden –unter anderem mit dem deutschen Preis für Wissenschaftsfotografie, dem Fritz Pölking-Award der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen sowie mehrfach bei der Wildlife Photographer of the Year Competition in London. Seine Fotografien erscheinen regelmäßig in international führenden Magazinen, wie GEO, Stern, National Geographic, Natural History Magazine und BBC Wildlife.

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