DOKUMENTARFOTOGRAFIN ANNE ACKERMANN ÜBER IHRE ARBEIT MIT DER NIKON Z 7 UND IHR ERSTES FOTOBUCH

Donnerstag, 12. Mai 2022

Die Dokumentarfotografin Anne Ackermann verdient ihr Geld mit anspruchsvollen Editorials und Corporate-Aufnahmen. Jetzt bringt sie mit »This life is a mix of poison and honey« ihr erstes Fotobuch heraus – eine Art visuelle Meditation über die Stellung der Frau in der albanischen Gesellschaft. Wir haben mit ihr gesprochen.

Anne, du setzt seit zwölf Jahren Porträts und Reportagen für Magazine und Unternehmen um. Warum hast du dich für dieses Genre entschieden?

Für mich war es nie eine Frage, welche Richtung ich fotografisch einschlage – die Realität ist für mich einfach das Spannendste. Andererseits geht es ja in der Fotografie nicht einfach darum, die Wirklichkeit abzubilden. Dafür ist das Medium zu subjektiv – und selbst im Dokumentarischen steckt ja viel Individualität, ausgerichtet etwa an der Frage, welches Sujet ich wähle und wie ich dieses ins Bild fasse.

Wie ist denn dein Selbstverständnis als Dokumentarfotografin bzw. Bildjournalistin?

Keine leichte Frage (überlegt). In meiner Fotografie setze ich mich mit der Welt auseinander oder genauer gesagt mit den Themen, die mich beschäftigen. Gleichzeitig versuche ich anderen diesen Blick nahezubringen. Ich verstehe mich also als Storyteller. Trotzdem glaube ich, dass ich als Bildautorin eher eine beobachtende Position einnehme und hinter das Gezeigte zurücktrete. Meine Bildsprache würde ich als subtil beschreiben, wenngleich ich natürlich über das Licht und die Bildkomposition die Dinge betone, die mir wichtig sind. Das gilt insbesondere für meine freien Arbeiten. Wenn ich im Auftrag eines Magazins unterwegs bin, fallen die Ergebnisse naturgemäß „dokumentarischer“ aus.

Anne Ackermann

Apropos freie Arbeiten. Im Juni legst du mit »This life is a mix of poison and honey« dein erstes Buch vor, das sich mit der gesellschaftlichen Rolle der Frauen in Albanien auseinandersetzt. Wie bist du auf das Thema gekommen?

Ich hatte dank eines Stipendiums die Region bereits bereisen und dort gemeinsam mit einem schreibenden Kollegen eine Reportage über vier beeindruckende, starke Frauen umsetzen können. Was ich erlebt habe, hat mich total fasziniert. Also bin ich mit einem anderen Stipendium noch mal hingefahren, um ein größeres Projekt zum Thema Frauen in Albanien zu realisieren, aus dem am Ende das Buch entstanden ist.

»This life is a mix of poison and honey«: Das erste Buch von Anne Ackermann

Das Buch gefällt uns ausgesprochen gut, nicht nur wegen der Art und Atmosphäre der Bilder, sondern auch wegen der dramaturgischen Struktur und der Begleittexte. Interessanterweise steigst du über Landschaftsbilder ins Thema ein, fokussierst dann auf das Kernthema Frauen – unter anderem über eine Hochzeit – und endest mit Street-Photography-Schnipseln und Alltagsbeobachtungen im Haus verheirateter Frauen. Am Ende steht eine subtile Erzählung über tradierte und – aus westlicher Sicht –  überkommene Geschlechterrollen …

Vielen Dank für das Kompliment. Mir ging es darum, die Geschichte zunächst in die Landschaft einzubetten und dann einen gewissen Erzählflow zu entwickeln, der das Buch durch Zitate und grafische Elemente in einzelne Kapitel gliedert. Gleichzeitig habe ich dem Buch ein ausführliches Vorwort vorangestellt, in dem ich meine methodische Herangehensweise und mein Ziel beschreibe. Es ist ja eine Gratwanderung, wenn ich als „westliche“, weiße Frau patriarchale Strukturen in Albanien beschreibe – schließlich bleibt das zwangsläufig ein Blick von außen. Gleichzeitig finde ich, dass Albanien durchaus so etwas wie ein Spiegel sein kann, in dem wir sehen, was hier in Deutschland und anderen westlichen Staaten nach wie vor falsch läuft in Sachen Geschlechtergerechtigkeit und Sexismus.

Die Bilder sind mit einer Nikon Z 7 entstanden, augenscheinlich ausschließlich bei vorhandenem Licht, und sie sind nah dran an den Charakteren. Welche Objektive hast du eingesetzt?

Ich fotografiere praktisch ausschließlich mit lichtstarken Festbrennweiten, hauptsächlich mit dem NIKKOR Z 35 mm 1:1,8 S und dem NIKKOR Z 50 mm 1:1,8 S. Damit bin ich sehr nah dran am menschlichen Auge, gerade auch bei Porträts. Dank der hohen Lichtstärke sind Freistelleffekte trotz der vergleichsweise kurzen Brennweite gut umsetzbar – ganz abgesehen von den Vorteilen einer großen Offenblende mit Blick auf Low-Light-Situationen. Tatsächlich sind alle Bilder „aus der Hand“ entstanden, also ohne Stativ.

Und?

Ich war wirklich begeistert. Die High-ISO-Performance ist großartig, der Autofokus ebenso, und dank des elektronischen Verschlusses und des eingebauten Anti-Flicker-Modus hatte ich keinerlei Probleme in Sachen Banding (unerwünschte Farb-Streifen-Effekte, die u. a. bei LED-Licht auftreten, wie sie an Film-Sets verwendet werden).

Bis zur Markteinführung der Z-Serie hast du mit DSLR-Kameras fotografiert. Wie hast du den Umstieg auf das spiegellose System erlebt?

Spiegellose Kameras sind die Zukunft, und ich hatte damals wirklich Lust auf den Systemwechsel. Was soll ich sagen: Es ist mir leicht gefallen – und die Vorteile sind ja nun mal nicht von der Hand zu weisen.

Welche meinst du konkret?

Das geringere Gewicht des Equipments und die Möglichkeit, völlig lautlos zu arbeiten, das ist ja gerade bei bildjournalistischen oder Street-Photography-Aufnahmen ein dickes Plus. Was mich wirklich positiv überrascht hat, ist auch der digitale Sucher. Der liefert nicht nur eine einwandfreie Bildwiedergabe, sondern ist auch ein wahnsinnig guter Kontrollmechanismus – gerade wenn du professionell arbeitest und direkt siehst, wie sich Bildwirkung verändert, wenn du, sagen wir, die Aufnahme leicht „unterbelichtest“.

Du hast an gleich drei Hochschulen studiert – in Hamburg, Buenos Aires und im dänischen Aarhus. Wieso?

Ich habe mich in Hamburg im Fach Visuelle Kommunikation beworben und dort die Fotografie für mich entdeckt. Nach der Zwischenprüfung wollte ich, wie viele meiner Kommilitonen, ins Ausland. Ich bin dann zwei Jahre nach Argentinien und habe schließlich in Paraguay meine Diplomarbeit fotografiert. Weil ich mich für den Job aber immer noch nicht bereit fühlte, habe ich an der Danish School of Journalism in Aarhus noch ein halbes Jahr International photojournalism angehängt. Erst dann dachte ich: Jetzt gehst du raus und stellst dich bei den einschlägigen Magazinen vor.

Es gibt ja auch Nachtaufnahmen oder „Snapshots“ aus einer Diskothek. Wie hoch hast du die Empfindlichkeit geschraubt?

Die Nikon Z 7 bewältigt Empfindlichkeiten bis ISO 6400 ohne größere Qualitätseinbußen; selbst ISO 8000 ist kein Problem, wenn man das digitale „Korn“ in der Post etwas zurücknimmt. Hinzu kommt der wirklich gute Bildstabilisator der Kamera, der das Schießen aus der Hand erleichtert.

Was schätzt du darüber hinaus an der Z 7?

Die Kamera ist kompakt und unauffällig, sie erlaubt ein Arbeiten ohne großes Besteckt, sie ist sehr intuitiv und hat einen tollen Autofokus. Das alles kommt meiner Art des Fotografierens entgegen. Bei meinem letzten kommerziellen Shooting – Standbilder von einem Filmset – habe ich übrigens erstmals mit der Nikon Z 9 gearbeitet ...

Heute arbeitest du unter anderem für Brand Eins, Chrismon, Der Spiegel, Die Zeit, Geo, mare oder das SZ Magazin. Wieviel Klinken muss man da vorher putzen?

Schon einige. Es ist zwar nicht wirklich schwer, einen Termin zu bekommen, aber einen Auftrag hat man deshalb noch lange nicht in der Tasche, das wächst erst mit der Zeit.

Thema Lockdown, der muss sich gerade für Reportagefotografen wirklich existentiell anfühlen. Wie bist du persönlich durch die Pandemie gekommen?

Das war schon nicht so leicht, als alle Aufträge plötzlich brachlagen. Ich habe dann aus der Not eine Tugend gemacht und mich auf freie Projekte vor meiner Haustür bzw. Zuhause konzentriert. In meiner Serie “Small Suns“ habe ich zum Beispiel das Treiben meiner Kinder beschrieben. In „The most beautiful memory. Recollecting my father" habe ich mich hingegen mit dem Bild-Archiv meines verstorbenen Vaters auseinandergesetzt und bin mit eigenen Bildern in einen emotionalen Dialog dazu getreten. Gerade bin ich dabei, einen Buch-Dummy dazu zu entwickeln.

Apropos: Ein Buch zu machen kostet viel Zeit und Geld. Warum ist dir dieses Medium so wichtig?

Ich habe den Prozess des Gestaltens und Editierens und die Zusammenarbeit mit anderen als sehr spannend erlebt. Und auch wenn es wie ein Klischee klingen mag: Es hat mich gereizt etwas zu schaffen, das bleibt, gerade in einer Zeit, in der alles digital und flüchtig ist – auf einem bestimmten Papier, mit einer bestimmten Textur.

Wie hast du die Produktion finanziert?

Ich hatte zum Glück ein Publikationsstipendium der VG Bild-Kunst, aber weil nicht alle Kosten gedeckt sind, habe ich einen Presale des Buches über einen Shop auf meiner Webseite organisiert, wo man bereits jetzt ein signiertes Exemplar des Buches (sowie eine kleine Überraschung) zum Early Bird Preis vorbestellen kann.

Wann, wo und in welcher Auflage wird »This life is a mix of poison and honey« erscheinen?

Das Buch wird im Kehrer Verlag erscheinen, aller Voraussicht nach im Juni. Die Auflage beträgt 1.000 Exemplare. 

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